Lob des konsequenten Kochens

Alle Zeitungen sind voll von Lobeshymnen auf Köche – Drei,-Zwei,- und Einsternedödel, die immer irgendwas an zweierlei an dreierlei von irgendwas anderem kochen, TV Brutzler, die in 20 Minuten ein Dreigängemenü von erlesenster Vielfalt zu zaubern vermögen, aber: Niemand huldigt den wahren Meistern, den verborgenen Genies, die imstande sind, wahrhaft unvergessene Gastmahle zu zaubern, Speisungen, an deren Teilnahme man sich noch Dekaden später mit wohligem Schaudern erinnern wird, wenn all die hohlen Safranzauber und Reduktionsversossungen der Lafers und Linsters längst ihrer wohlverdienten Vergessenheit anheimgefallen sind. Mir wurde eine solche Mahlzeit in Ägypten während einer Mittagspause zwischen der Besichtigung des Luxortempels und der Nilüberquerung zum Tal der Könige zuteil. Und so sehr ich mich nun mühen werde: Die ganze olfaktorische und sensorische Pracht dieses Mahls wird nicht in Worten einzufangen sein – lasst es mich in Demut trotzdem versuchen und mit dem schlichtesten Element beginnen:
Reis – ja, Reis, Du bist, selbst wenn Du ohne Beilage serviert wirst, durchaus von eigenem Geschmack und mitunter fast vorwitzig kecker Eitelkeit was die Zurschaustellung Deiner Aromen, genährt vom Adel deines Onkels Basmati und von Tante Langkorn, angeht. Doch heute hast Du Deinen Meister gefunden, der Dich demütig wieder das sein lässt, als was die Speisekarte Dich ausweist: Sättigungsbeilage, die du, durch zahllose Wässerungen auch des letzten Hauches von Geschmack entledigt, endlich nur noch das sein darfst, was deiner innersten Bestimmung nach nachhaltig in uns hungrigen Menschenkindern zu wirken trachtet – als milchig weisses in grossen Edelstahlsärgen zersimmertes Kalorienbreichen. Und was muss ich da hören? Ruft da wirklich jemand nach Salz? Salz? Jenem unheilvollen Pulver, welches einst den Reichtum des ehrbaren Kaufmanns mehrte, um ebendiesen dann Millennien später mit der somnambulen industrieraffinierten Salzigkeit seiner Billigbrüder aus den Salinen in die Bitterniss tiefer Verarmung zu stürzen? Von diesem Teufelspulver hielt Dich unser Koch ebenso sorgsam und liebend fern wie von jedweder Brühe, jenem ausgekochten Trunk, der sich diebisch der Aromen des harmlos in ihm siedenden vergangenen Lebens bemächtigt um ihn dann – nur scheinbar selbstlos – an Brühkartoffeln oder Risottoanwärter weiterzugeben. Doch was wärst Du, Du guter geschmackloser Reis ohne Deinen besten Gefährten, das wohlzerfaserte und durchunddurchunddurchtrockene Huhn. Wie oft geschieht es, dass ein Huhn direkt nach seiner Schlachtung frisch und saftig auf einem Teller landet, ohne ebenjene so wichtige Metamorphose durchlaufen zu haben, die aus dem einstmals blühenden flatternden blühenden Leben die schweren und fahlen ewigen Schatten des Hades schafft. Nicht so an jenem Mittag unter der sengenden Sonne des Ra. Hier im Land der Einbalsamierer waren Meister am Werk, die schon vor tausenden von Jahren durch die heilende Kraft der Trocknung aus vergänglichem Leben Mumien für die Ewigkeit zu schaffen imstande waren – und ich muss, nein, ich darf es als Zeichen der besonderen Gastfreundschaft werten, dass sie mir, dem doch nur so flüchtig vorbeieilenden Reisenden nicht weniger lang zurückliegende fleischene Historie in mein festliches Mahl mengten. In diesem Fall eben in Form dieses mürben Vogels. Hatte er bereits einem Pharao in der Falknerei wertvolle Dienste geleistet, würde mein zögernder Biss vielleicht Pretiosen im Innersten dieses fliegenden Zeitzeugen herbeifördern, neben denen die plumpen Buddelklumpen eines Howard Carter in die archäologische Bedeutungslosigkeit zu plumpsen drohten? Wir werden es nicht erfahren – tiefe Demut vor der Geschichte Ägyptens und der Haltbarkeit meiner Backenzahnüberkronung liess mich von der inhaltlichen und geschmacklichen Durchdringung des gefiederten Zeitzeugen Abstand nehmen. Doch ich höre schon Euer Wehklagen, Freunde des billigen Effekts, des milden Aromas, der Überwürzung unserer Welt. Wo bleibt denn der eschmack? Nun: Keinesfalls war mein Mahl frei von Aromen, denn das Gedächtnis all der Geschmäcker vergangener Zeiten befindet sich im extra für diese Speisungen bereitgestellten Geschirr. Fernab von der Unsitte, den leergegessenen Teller mit der harschen Bürste oder dem Spülautomaten seiner mühsam erworbenen Individualität zu berauben – nein, hier auf dem trübweissen Plastegeschirr lebten Generationen von bereits verzehrten Festmahlen friedlich und wunderschön nebeneinander. Ein Palimpsest des Genusses, flankiert von Besteck, das nur zu gern den gleichen Geist auszusenden bereit war. Wessen Mund mag die leichten tomatigen Schlieren gezogen haben, die die forschen Zinken der Gabel vom Griff trennten wie der Nil den Karnaktempel von Westtheben? Ein Pharao, ein Sultan, eine Reisegruppe aus Herne? Ja, vor Gott und der Gabelschliere sind alle Menschen gleich. Doch bevor ich mich im Detail verliere…mir wird grad etwas anders…sorry…

Ach ja: Abends dann McDonalds…gar nicht so übel, diese Amis…